Digitale Demokratie

Initiativen online unterschreiben? Mit Smallpdf geht’s in 2 Minuten.

Gerade habe ich das erste Mal eine Initiative online unterschrieben. Dafür benötigte ich einen PDF-Unterschriftenbogen, den ich zuvor über die Plattform Wecollect ausgefüllt habe, und den Service von Smallpdf

Das Zürcher Startup macht es möglich, einfach, schnell und kostenlos ein PDF elektronisch zu signieren. Das Ausfüllen funktioniert mit einem Touchscreen auf Smartphones und Tablets oder – wie ich es ausprobiert habe – mit einem Trackpad.

eSign PDF with Electronic Signature Free Online 2

Nachdem ich den Unterschriftenbogen als PDF auf die Plattform geladen habe, kann ich mit dem Trackpad verschiedene Textelemente kreieren und diese punktgenau ins Dokument einpassen. Das alles braucht etwas Übung – wie die elektronische Signatur beim Pöstler. Nach zwei Minuten ist die Initiative ausgefüllt und könnte per Email dem Komitee gesendet werden. 

Bundesrat legt E-Collecting auf Eis

Leider ist das alles Zukunftsmusik: Im April 2017 hat der Bundesrat erklärt, dass die Schweiz auf «E-Collecting» bis auf weiteres verzichten will. Das elektronische Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden war vom Tisch. Als Grund nannte der Bundesrat in der Medienmitteilung «knappe Ressourcen». Die E-Government-Strategie des Bundes sieht vor, dass bis zu den eidgenössischen Wahlen 2019 zwei Drittel der Kantone E-Voting-Systeme einsetzen.

Knappe Ressourcen wegen E-Voting? Der Testlauf mit Smallpdf zeigt: Der Abschied von der Briefkasten-Demokratie wäre keine grosse Sache. Der bestehende Prozess, darunter die Beglaubigung der Unterschriften auf den Gemeinden, würde nicht tangiert. Statt zusätzlichen Ressourcen wäre nur ein kleines Update im Bundesgesetz über politische Rechte notwendig.

Wie die Bundeskanzlei auf Aufrage erklärt, sei es heute nicht zulässig, Initiativen und Referenden auf einem Touchscreen oder Trackpad zu unterschreiben und diese Unterschrift online zu übermitteln. «Eine Unterschrift, die mittels eines Touchscreens erfasst und danach ausgedruckt wurde, wäre unter dem geltenden Recht ungültig. Entsprechend könnten die Gemeinden solche Unterschriften nicht als gültig bescheinigen», machte eine Juristin der Sektion Politische Rechte deutlich. Und ergänzte: «Die über einen Touch-Screen erfolgte Erfassung von Unterschriften lässt sich mit dem Willen des Gesetzgebers, Fälschungen entgegenzuwirken, nicht vereinbaren.»

Nur kleines Update für Bundesgesetz nötig

Führt also kein Weg an einer digitalen Identität (eID) vorbei, wenn E-Collecting eingeführt werden soll? Der Bundesrat hätte zweifellos einen Gestaltungsspielraum. Gemäss einem Gutachten des Zentrums für Demokratie Aarau  bräuchte es für eine «eigenhändige Unterschrift» gemäss Art. 61 des Bundesgesetzes nicht zwingend eine digitale Signatur. Die Einblendung eines Warnhinweises, dass sich strafbar macht, wer auf einem Touchscreen unbefugt oder für jemand anders unterzeichnet, dürfte genügen. 

Eine kleine Ergänzung des Bundesgesetzes, welche die digitalen Signaturen zulassen würde, hätte für die Unterschriftensammlung positive Folgen. So würde ein grosser Teil der Portokosten wegfallen, die immer noch einen Löwenanteil der Sammelkosten ausmachen und eine Hürde für finanzschwache Komitees darstellen. Darüber hinaus  liesse sich der kleine Kreis der Stimmberechtigten, die bisher Gebrauch von den direkten Volksrechten machen, im Internet vergrössern wie die Erfahrungen beispielsweise mit Vaterschaftsurlaubs-Initiative gezeigt haben. Gerade bei Referenden, bei denen der Zeitraum für die Unterschriftensammlung knapp ist, würde die digitale Signatur zudem erlauben, die gesammelten Unterschriften den Gemeinden rascher für die Beglaubigung zu übermitteln.

Kantonaler Testlauf mit E-Collecting 

Ein interessantes Szenario könnte es sein, E-Collecting auf kantonaler Ebene schrittweise einzuführen, um die Auswirkungen auf das politische System zu beobachten. Der Anteil digital gesammelter Unterschriften liesse sich vorerst limitieren, wie der NZZ-Journalist Simon Hehli vorgeschlagen hat. «Sollte sich eine massive Zunahme von Initiativen und Referenden abzeichnen, könnte man mit einer Erhöhung der seit 1977 geltenden Unterschriftenzahl Gegensteuer geben«, schreibt Hehli.

Mit Smallpdf und anderen Online-Werkzeugen ist die Zeit reif, auf den Briefkasten zu als Gatekeeper zu verzichten. Im Smartphone-Zeitalter ist es eine unnötige wie kostspielige Hürde, für die Ausübung von Volksrechte weiterhin Stift, Papier und Briefmarke zu verlangen. Mit dem bisherigen Tempo des Bundesrates bleibt zu befürchten, dass die Schweiz weitere fünf bis zehn Jahre verstreichen lässt, bis E-Collecting zum Thema wird. 

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Medien, Netzpolitik

Recht auf Vergessen im Internet?

Bekifft an einem Hardcore-Konzert, Zungenakrobatik mit Freundin, Teilzeitnudist im Tessin. Wenn ich mich durch meine Fotokiste wühle, bin ich schon froh, dass meine postpubertäre Phase nicht auf Facebook drauf ist. Die wilden Zeiten sind nur auf Fotopapier verewigt.

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Me,jeff and uzzi totally drunk on headbangers open air!

Wäre ich heute ein Teeny, würde ich sicher ein Teil dieser Schnappschüsse auf Facebook posten. Die witzigen Seiten des Lebens zu teilen, macht ja am meisten Spass und generiert – last but not least – am meisten Likes und Kommentare. Und klar, auch ich wäre nicht so dumm, jeden Schweiss hoch zu laden. Wir wissen ja: Das Internet ist ein schwarzes Loch, das alles aufsaugt und nie vergisst.

Wirklich alle? Nicht ganz. Der Schweizer Bundesrat prüft im Moment auf Anregung von SP-Nationalrat Jean Christoph Schwab, ob dringlicher «gesetzgeberischer Handlungsbedarf» für ein Recht auf Vergessen im Internet besteht. Ob wir also per Gesetz von Facebook und Co eine definitive Löschung von Einträgen einklagen könnten.

In meinen Ohren klingt das «Recht auf Vergessen» sympathisch. Auch die Löschung der eigenen Daten bei Plattformen zu verlangen, finde ich selbstverständlich. Der radikalen Umsetzung im Web sind trotzdem enge Grenzen gesetzt. Deshalb finde ich es absurd, zu viel Denkzeit darüber zu verschwenden. Falls der Bundesrat gerne Grundsatzdiskussionen führt schlage ich ein weiteres Gesetz vor: Alle Zeitungen im ganzen Land werden nach dem Lesen eingesammelt, um in Zukunft alle unliebsame Artikel ausschneiden und vernichtet zu können.  (Anmerkung: Balthasar Glättli hat zu Recht angemerkt, dass mein polemischer Vergleich zwischen Zeitungen und Web zu kurz greift).

Statt über die Spielregeln im Internet zu lamentieren, könnten wir dem unvergesslichen Datenspeicher auch etwas positives abgewinnen: Das Leben wird ehrlicher und authentischer. Keine verlogenen Moralapostel mehr, die nie Jung waren, nie über die Stränge gehauen und nie einen Sommer für Anarchie demonstriert haben. Und wer das alles verpasst hat, ist selbst schuld.

PS: Leider habe ich meine alten Fotos noch nicht digitalisiert. Aber in einer unkontrollierten nostalgischen Phase werde ich wohl meine Timeline aufpeppen.

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