Campaigning, Netzpolitik, Social Media

Toni Zuckerberg: Was der erfolgreiche SVP-Strategiewechsel mit Facebook gemeinsam hat.

Toni Brunner hatte das gleiche Problem wie Mark Zuckerberg: Wo schraube ich an einem Erfolgsmodell, um weiter zu wachsen? Wie die SVP setzte Facebook auf ein simples Kommunikationsprinzip, das zum Markenzeichen der Plattform wurde: den Like-Button.

Doch der Daumen wankt: Mark Zuckerberg testet sechs zusätzliche Symbole, um das Repertoire der Social Media-Plattform zu erweitern. Der Strategiewechsel hat ein Ziel: Die Grenzen der Goodnews-Plattform zu sprengen und neue Marktanteile zu erobern.

Auch die erfolgsverwöhnte SVP wollte bei den Wahlen 2015 zulegen. «Wer weiter wachsen will, muss unter dem Hag durchfressen», hat sich Parteipräsident Toni Brunner gesagt. Der Bilderbuch-Bauer hat dem Parteiapparat ein neues Image verpasst, das einer kleinen Revolution gleich kommt.

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In der Ära Blocher war die SVP eine Partei, die stets mit dem Daumen nach unten zeigte. Doch mit Poltern sammelt man wenig Sympathiepunkte ausserhalb der Restaurant-Sälis. Im Wahlkampf erfand sich die SVP als Spasspartei neu und stieg wortwörtlich in die Badehose. Im Wahlkampf-Clip «Welcome to SVP» springt alt Bundesrat Christoph Blocher in den Swimmingpool, um ein neues und vor allem jüngeres Publikum anzusprechen.

Das Wahlresultat zeigt: Der Flirt mit der mehrdeutigen Emoji-Kultur zahlt sich für die SVP aus. Als Platzhirsch auf Social Media hat sie sich aus einer Volks- in eine Viralpartei verwandelt. Den Vorsprung wird die SVP locker halten können. Der Konkurrenz fehlt es an der nötigen Selbstironie.

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Wohninitiative: Unterschriften sammeln im Netz!

In den frühen Morgenstunden des 4. September 2015 war Kickoff der Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» vom Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband (SMV), in Zusammenarbeit mit der SP, den Grünen und der AL. Die Initiative will den preisgünstigen Wohnungsbau fördern. Am ersten Tag wurden über 7500 Unterschriften im Netz gesammelt. Der Zähler steht Mitte November bei 15’000.

Zum zweiten Mal kann in der Schweiz eine Volksinitiative online unterzeichnet werden (vgl. Bericht SRF). Seit Frühling sammelt bereits Amnesty International mit dem «eCollector» für die Konzernverantwortungsinitiative Unterschriften im Internet. Seit Mitte September läuft zudem das erste Referendum gegen das Nachrichtendienstgesetz (NDG) über die Plattform.

Was hinter den Kulissen läuft erfahrt ihr im folgenden Interview, das Joël Bisang im April 2015 mit mir geführt hat.

Warum geht es beim «eCollector»?

Daniel Graf: Der eCollector ist ein Tool, das Organisationen und Initiativkomitees eine einfache Online-Sammlung von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden erlaubt. Man könnte sagen, wir bieten den bequemsten Weg, um rasch eine Initiative im Netz zu unterschreiben.

Wer ist «wir»? 

Der «eCollector» ist ein Gemeinschaftsprojekt von gamechanger und der Webagentur Liip. An der Entwicklung waren darüber hinaus verschiedene engagierte Personen beteiligt, die sich für politische Partizipation einsetzen. Die Lancierung des eCollector erfolgte im April 2015 in Zusammenarbeit mit Amnesty International anlässlich der Konzernverantwortungsinitiative, die alle Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu einer Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte und Umwelt verpflichten will.

Die Erhöhung der Unterschriftenzahl für Volksinitiativen auf 200’000 ist ein heisses Thema. Leistet der eCollector den Befürwortern Vorschub?

Ich denke, wir sollten keine Angst vor einer Facebook-Demokratie und vor stärkerer politischer Partizipation haben. Selbstverständlich kann man darüber diskutieren, ob die heutige Unterschriftenzahl adäquat ist. Eine lebendige Demokratie darf aber nicht auf Ausschluss setzen, wenn sie die nächste Generation im Boot haben will.

Was hat euch auf die Idee für den eCollector gebracht?

Viele Organisationen, Parteien und NGO verfügen heute über eine breite Online-Kontaktbasis und auch im Netz über treue AktivistInnen, die beispielsweise regelmässig Online-Petitionen unterstützen. Dieses Potenzial wollten wir nutzen. Aus der Praxis ist zudem bekannt, dass – bedingt durch den Aufwand – nur wenige Menschen ein PDF herunterladen, es ausfüllen und zurückschicken. Das gilt insbesondere dann, wenn sie unterwegs sind und die Informationen auf dem Smartphone erhalten.

Der eCollector ist eine Art Web-Plattform. Was steckt dahinter?

Der eCollector nutzt erstmals die Möglichkeit, persönliche Daten für einen personalisierten Unterschriftenbogen zu verwenden. Das heisst, wer eine Initiative oder ein Referendum online unterschreiben will, erhält per E-Mail ein automatisch erstelltes PDF, in dem die benötigten persönlichen Angaben (Vorname, Adresse, Geburtsdatum) bereits eingefüllt sind. Sie oder er braucht nur noch den Nachnamen anzugeben und zu unterschreiben, anschliessend kann das Dokument ausgedruckt und zurückgeschickt werden. Rechtlich ist es so, dass bei nationalen Initiativen Nachname und Unterschrift zwingend handschriftlich angegeben werden müssen.

PDF in der Mailbox klingt gut. Aber was machen Leute, die unterwegs sind oder keinen Drucker haben?

Wer will kann sich mit dem eCollector das ganze Paket per Post, sozusagen analog, nach Hause schicken lassen und dann den unterzeichneten Unterschriftenbogen zurückschicken. Erste Erfahrungen mit der Amnesty-Initiative zeigen, dass rund 10 Prozent diesen Postservice in Anspruch genommen haben.

Bis jetzt werden Unterschriften auf der Strasse gesammelt. Welche Vorteile bietet das Netz?

Kampagnenaktivitäten im Netz können mit dem eCollector direkt an eine Unterschriftensammlung gekoppelt werden. Mitglieder und SympathisantInnen einer Organisation haben also die Möglichkeit, im Netz aktiv Unterschriften zu sammeln. Nicht zuletzt vergrössert der eCollector dank einem Schneeball-Effekt auch die Kontaktbasis einer Organisation. Wer unterschreibt kann andererseits selber eine Multiplikatoren-Rolle spielen, indem er oder sie die eigenen Online-Kontakte nutzt, um weitere Unterschriften zu sammeln.

Fehlt im Netz nicht die Möglichkeit des direkten Gesprächs, um Skeptiker zu überzeugen?

Interessierte finden auf der eCollector-Website kurze und knappe Informationen zum Anliegen der Initiative. Amnesty International hat zusätzlich ein Informationsvideo produziert, dass in zwei Minuten alles erklärt. Darüber hinaus ist die Kontaktpflege ein Grundprinzip des eCollector. Per E-Mail wird nachgefasst, weil wir davon ausgehen, dass Empfänger oft beschäftigt sind, wenn die erste Mail mit dem Unterschriftbogen bei ihnen eintrifft.

Steht der eCollector allen Organisationen offen?

Ja, wenn wir auch inhaltlich hinter dem Anliegen stehen können. Technisch ist das Tool so gestaltet, dass parallel mehrere Unterschriftensammlungen gleichzeitig möglich sind. Sammelaktionen können darüber hinaus kurzfristig lanciert werden, denn gerade bei Referenden ist die ja jeweils Zeit knapp.

Wie geht es weiter mit dem Projekt?

Wir arbeiten im Moment an einer Plattform, die in eine Engagement-Community eingebettet werden soll. Der Launch ist für Frühling 2016 geplant.

(Text aktualisiert am 19.11.2015).

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Campaigning

Lovestorm für mehr Papi-Zeit

Am Sonntag 7. Juni ist in der Schweiz Vätertag. Travail.Suisse startet in Zusammenarbeit mit Männer.ch, Pro Familia, Avanti Papi und Operation Libero einen Lovestorm für mehr Papi-Zeit. Auf der Plattform papizeit.ch sagen Väter und Mütter mit Bild, warum es endlich einen gesetzlich geregelten und bezahlten Vaterschaftsurlaub braucht, der seinen Namen auch verdient.

Heute bekommt ein frisch gebackener Vater in der Schweiz vom Gesetz gleich viel bezahlte freie Zeit, wie bei einem Wohnungswechsel: Einen Tag! 

Mit der Online-Kampagne von gamechanger/pixelgarage soll der öffentliche Druck für mehr Papizeit erhöht werden. Im Parlament ist aktuell ein Vorstoss für 2 Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub hängig.

Die Website hat das Kollektiv mitdir.ch entwickelt. Die ursprüngliche Idee einer Selfie-Plattform entstand 2014 als Reaktion auf die Masseneinwanderungsinitiative. In den letzten Monaten sind weitere Projekte in ganz Europa dazugekommen.

Update 08.06.2015
Auswahl von Medienberichten zur Papizeit-Kampagne:

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Bigler schiesst ein Eigen-GOAL: Gewerbeverbands-Direktor verschleiert Stratege hinter der umstrittenen RTVG-Nein-Kampagne

Die BAZ verteilt neuerdings Preise für Abstimmungs-Kampagnen. Als überraschender Favorit im Hause Somm gilt die umstrittene RTVG-Nein-Kampagne des Gewerbeverbandes.

«Was die politische Schweiz dieser Tage erlebt, ist eine der überraschendsten und erfolgreichsten Abstimmungs-Kampagnen seit Jahren», schreibt BAZ-Jurnalist Beni Gafner in seiner Laudatio.

Das Meisterstück ortet die BAZ in der cleveren Medienkampagne, die ganz frontal auf Provokation setzt und den Gewerbeverband als «Partei und streitbar» positioniert.

Die RTVG-Nein-Kampagne wird als grandiose Strategie gefeiert, zumal auch die Medien brav die zugedachte Rolle spielen: «Die zarten Zürcher von Blick und TagesAnzeiger zeigen sich entsetzt über blutige Finger.»

Bevor der Lesende laut klatscht, möchte er jetzt aber wissen, wer der brilliante Stratege hinter der Gewerbeverband-Kampagne ist. Hier weiss BAZ-Journalist Beni Gafner, der zweifellos über erstklassige Insider-Informationen verfügt, erstaunliches zu berichten.

«Weniger bekannt ist, dass Bigler und dessen 35-jähriger Kommunikationschef Bernhard Salzmann die Kampagne alleine geplant und im kleinen Team von drei Verbands-Redaktoren der hauseigenen Gewerbezeitung umgesetzt haben. Keine PR-Agentur, keine teuren Werbeprofis von aussen.»

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Stimmt das? Ein kurzer Blick in den HTML-Code der Kampagnen-Website zeigt, dass die Agentur GOAL dahinter steckt. Die Kampagnenbilder verweisen auf die Website «devlop14.goal-center.ch», welche auf einen gewissen Alexander Segert eingetragen ist.
Der Kopf der SVP-Agentur GOAL ist der Schöpfer berühmt-berüchtigter Kampagnen: das gerupfte Huhn, die rote Ratte, das schwarze Schaf, der Messerstecher, die Minarett-Raketen. Für seine Geniestreiche erhielt Segert bisher keine Preise, sondern musste sich vor Gericht verantworten.

Warum verheimlicht Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler den Kopf hinter der RTVG-Kampagne? Aus Eitelkeit? Kaum. Bigler hat – auch als Mitglied der FDP-Mannschaft – ein simples Reputationsproblem: an den Kampagnen von GOAL klebt Dreck.

Wer die SVP-Agentur GOAL ins Boot holt, weiss was er will und geliefert bekommt: Hetzerische und aggressive Schockkampagnen aus der untersten Schublade der Kreativbranche. Auch der mediale Shitstorm gehört zum Lieferumfang und ist als Gratis-Multiplikator fest eingeplant.

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Bigler hat wohl die GOAL-Rechnung grosszügig aufgerundet und von Alexander Segert eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichen lassen. So ist es gefahrlos möglich, in der Öffentlichkeit Kommunikationschef Bernhard Salzmann, Verbandspräsident Nationalrat Jean-François Rime (SVP) und sich selbst als kreatives Kampagnen-Dreamteam zu präsentieren.

Offenbar hat Bigler eine Grundregel der Kampagnenarbeit vergessen: Den brauen Dreck an den Sohlen sieht man spätestens, wenn einer über den roten Teppich läuft.

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Toleranz-Selfies: Skype-Interview mit 3Sat-Kulturzeit

Eine kleine Premiere heute: Mein erstes Skype-Interview für die TV-Sendung «Kulturzeit» auf 3Sat. Ich wurde um meine Einschätzung gebeten, ob Selfies als Kampagnenmittel im Kampf gegen Extremismus funktionieren.

Konkret ging es um das Projekt einer Gruppe Studenten an der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Sie erfanden das 2fie. Ein Selfie von Menschen unterschiedlichen Glaubens, versehen mit einer persönlichen Toleranzbotschaft.

Die Kampagne erinnert mich stark an den Lovestorm auf Mitdir.org, über den ich bereits geschrieben habe.

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