99% der Menschen, die täglich Facebook nutzen, haben nie davon gehört. Die Rede ist von der Werbeplattform Facebook Business Manager, die auch in der Schweiz rege genutzt wird. Im Lärm um Cambridge-Analytics ging das Marketing-Tool für Insider bisher unter. Doch das etwas sperrige Tool hat das Polit-Campaigning im Netz revolutioniert, wie der Tagesanzeiger berichtet.
Nach dem Sieg bei der Atomausstiegsinitiative schrieb ein Economiesuisse-Camaigner auf Facebook: «Alle Battlegrounds gedreht. Jeden Schweizer Facebook-Nutzer 2½ Mal erreicht. 1,7 Millionen Video-Views innerhalb der letzten zwei Wochen.»
Der aktuelle Datensatz von Facebook Business Manager hat es in sich. Er umfasst alleine für die Schweiz rund 4 Millionen Personen über 18 Jahren. Für Werbetreibende und Kampagnenmacher ist das eine Goldgrube: Helvetica Analytics.

Der Facebook Business-Manager bietet ein Blick in die Daten von 4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer (Screenshot).
Facebook kennt mindestens 98 Fakten über jeden einzelnen User. Die Plattform ist eine Datenkrake und vergisst nichts. Jedes mal, wenn du eine Facebook-Seite besuchst, den Like-Button drückst oder einen Beitrag teilst, wird es gemessen und gespeichert. Ein Teil dieser Informationen lassen sich mit speziellen, oft ziemlich teueren Digitalwerkzeugen aufzeichnen und für Kampagnenzwecke nutzen. Den grössten Schatz, die Verknüpfung aller Datenpunkte, gibt’s aber nur exklusiv für die Facebook-Werbung.
Wie zuletzt bei der Atomausstieg-Initiative wird Facebook Business Manager heute für politische Kampagnen eingesetzt. Das Tool erlaubt «Dark Post» zu verschicken. Im Gegensatz zu Plakaten wird diese Werbung nur von bestimmten, vorher definierten Personen gesehen. So kann die Botschaft auf den Alltag ganz unterschiedlicher Zielgruppen angepasst werden, je nach Geschlecht, Alter, Wohnort, Beziehungsstatus, oder Hobbies.
Wie funktionieren Kampagnen mit Facebook-Targeting genau? Das möchte ich gerne an einem Beispiel zeigen. Die folgende Story ist fake, aber hart an der Realität: Die FDP hat im Kanton Zürich eine Initiative «Mehr Hund, weniger Staat» zur Abschaffung der Hundesteuer eingereicht. Sie kommt am 12. Februar 2017 zur Abstimmung. Höchste Zeit also, eine Facebook-Kampagne mit multiplen Zielgruppen zu planen.

Wie funktioniert Facebook-Targeting? Eine Beispiel mit einer fiktiven FDP-Kampagne.
Im Business Manager sehen wir auf einen Blick, dass wir im Kanton Zürich auf Facebook bis zu 900’000 Personen erreichen. Statt auf die Masse zu zielen, versuchen wir zunächst gezielt Hunde-Freundinnen und -Freunde anzusprechen. Für Facebook ist das kein Problem. Unter Hobbys finden mit einem Klick 80’000 Hundefans, die im Kanton Zürich leben.

Facebook weiss: 80’000 Menschen im Kanton Zürich mögen Hunde.
Die demographische Darstellung zeigt uns, dass 61% der Hundefans Frauen sind. Mit rund 20’000 Personen bilden das grösste Segment Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahre. Die Hälfte wohnt in Zürich (41%) oder Winterthur (9%). Die Frauen sind – gemäss eigenen Angaben – in einer Beziehung (33%) oder verheiratet (42%). Wir erreichen über Facebook auch ihre Partner.

Ganz privat: Informationen über den Beziehungsstatus der weiblichen Hundefans.
Aus diesen Daten könnte die FDP drei Zielgruppen für die Polit-Werbung ins Auge fassen und dafür unterschiedliche Facebook-Ads vorbereiten.
- Weibliche Hundefans im urbanen Kontext (mit Variante Zürich/Winterthur).
- Weibliche Hundefans in der Agglomeration.
Während wir das «Keyvisual» , eine glückliche, 30jährige Frau mit zwei Hunden, für alle Versionen einsetzen, sorgen unterschiedliche Hintergrundbilder für einen regionalen Wiedererkennungseffekt.

Facebook-Werbung für weibliche Hundefans in Zürich.

Facebook-Werbung für weibliche Hundefans in Winterthur.

Facebook-Werbung für weibliche Hundefans, die in der Agglomeration wohnen.
Diese Differenzierung lässt sich stufenlos weiter denken, etwa für unterschiedliche Altersgruppen, Familien mit Kindern oder beliebte Hunderassen.

Facebook-Werbung für weibliche Hundefans ab 60 Jahren.
Dank Spenden aus der Wirtschaft haben wir für die Facebook-Kampagne etwas Geld übrig. Darum experimentieren wir mit einer weiteren, interessanten Zielgruppe: jüngere Männern im Alter von 18 bis 28 Jahren. Facebook verspricht, 30’000 männliche Hundefans im Kanton Zürich zu erreichen. Als Zugabe gibt es einen wertvollen Tip: Unsere neue Zielgruppe mag die Website Swissmeme. Also testen wir ein paar Memes, die sich für die virale Verbreitung eignen. Hier ein Beispiel:

Memes sind auch für Polit-Kampagnen beliebte Facebook-Ads.
Die FDP-Kampagne ist eine Spielerei. Sie zeigt jedoch exemplarisch das Potenzial von Facebook-Kampagnen auf, die auf multiple Zielgruppen setzen und die Möglichkeiten des Facebook Business Managers ausreizen.
Für Campaigning gibt es weitere, erfolgsversprechende Werbestrategien auf Facebook wie Custom Audiences. Dabei wird Facebook mit zusätzlichen Daten gefüttert, die sich direkt aus einem Newsletter-Tool wie MailChimp importieren lassen. Wo die Musik in Zukunft spielt, hat Thomas Hutter in einem lesenswerten Blog-Post zu den Wahlen in Österreich beschrieben.
Sicher ist: Der neue Kampfplatz für Polit-Kampagnen ist nicht mehr der Stammtisch, sondern das Smartphone. Statt Botschaften für die Massen zu kreieren, erlaubt Facebook individuelle Botschaften auszuliefern, die fadegrad ankommen. Spätestens ab Januar können wir ein Live-Beispiel mitverfolgen: Die grosse Schlacht um die Unternehmenssteuerreform 3.
PS: Hier die Liste mit 98 kombinierbaren Informationen, die Facebook über dich sammelt und für gezielte Werbung verwendet (Quelle: netzpolitik.org).
- Ort
- Alter
- Generation
- Geschlecht
- Sprache
- Bildungsniveau
- Ausbildungsbereich
- Schule
- ethnische Zugehörigkeit
- Einkommen und Eigenkapital
- Hausbesitz und -typ
- Hauswert
- Grundstücksgrösse
- Hausgrösse in Quadratmeter
- Jahr, in dem das Haus gebaut wurde
- Haushaltszusammensetzung
- Nutzer, die innerhalb von 30 Tagen ein Jubiläum haben
- Nutzer, die von der Familie oder Heimatstadt entfernt sind
- Nutzer die mit jemandem befreundet sind, der einen Jahrestag hat, frisch verheiratet oder verlobt ist, gerade umgezogen ist oder bald Geburtstag hat
- Nutzer in Fernbeziehungen
- Nutzer in neuen Beziehungen
- Nutzer mit neuen Jobs
- Nutzer, die frisch verlobt sind
- Nutzer, die frisch verheiratet sind
- Nutzer, die vor Kurzem umgezogen sind
- Nutzer, die bald Geburtstag haben
- Eltern
- Werdende Eltern
- Mütter in Typen unterteilt („Fussball, trendy“ etc.)
- Nutzer, die sich wahrscheinlich politisch betätigen
- Konservative und Liberale
- Beziehungsstatus
- Arbeitgeber
- Branche
- Berufsbezeichnung
- Art des Büros
- Interessen
- Nutzer, die ein Motorrad besitzen
- Nutzer, die planen, ein Auto zu kaufen (welche Art/Marke, und wann)
- Nutzer, die kürzlich Autoteile oder Zubehör gekauft haben
- Nutzer die wahrscheinlich Autoteile oder Service benötigen
- Art und Marke des Autos, dass man fährt
- Jahr, in dem das Auto gekauft wurde
- Alter des Autos
- Wieviel Geld der Nutzer vermutlich für sein nächstes Auto ausgeben wird
- Wo der Nutzer vermutlich sein nächstes Auto kaufen wird
- Wieviele Mitarbeiter die eigene Firma hat
- Nutzer, die kleine Unternehmen haben
- Nutzer, die Manager oder Führungskräfte sind
- Nutzer, die für wohltätige Zwecke gespendet haben (unterteilt nach Art)
- Betriebssystem
- Nutzer, die Browserspiele spielen
- Nutzer, die eine Spielekonsole besitzen
- Nutzer, die eine Facebook-Veranstaltung erstellt haben
- Nutzer, die Facebook-Payments benutzt haben
- Nutzer, die mehr als üblich per Facebook-Payments ausgegeben haben
- Nutzer, die Administrator einer Facebookseite sind
- Nutzer, die vor Kurzem ein Foto auf Facebook hochgeladen haben
- Internetbrowser
- Emailanbieter
- „Early Adopters“ und „late Adopters“ von Technologien
- Auswanderer (sortiert nach dem Ursprungsland)
- Nutzer, die einer Genossenschaftsbank, einer nationalen oder regionalen Bank angehören
- Nutzer, die Investoren sind (sortiert nach Typ der Investition)
- Anzahl der Kredite
- Nutzer, die aktiv eine Kreditkarte benutzen
- Typ der Kreditkarte
- Nutzer, die eine Lastschriftkarte haben
- Nutzer, die Guthaben auf der Kreditkarte haben
- Nutzer, die Radio hören
- Bevorzugte TV-Shows
- Nutzer, die ein mobiles Gerät benutzen (nach Marke aufgeteilt)
- Art der Internetverbindung
- Nutzer, die kürzlich ein Tablet oder Smartphone gekauft haben
- Nutzer, die das Internet mit einem Smartphone oder einem Tablet benutzen
- Nutzer, die Coupons benutzen
- Arten von Kleidung, die der Haushalt des Nutzers kauft
- Die Zeit im Jahr, in der der Haushalt des Nutzers am meisten einkauft
- Nutzer, die „sehr viel“ Bier, Wein oder Spirituosen kaufen
- Nutzer, die Lebensmittel einkaufen (und welche Art)
- Nutzer, die Kosmetikprodukte kaufen
- Nutzer, die Medikamente gegen Allergien und Schnupfen/Grippe, Schmerzmittel und andere nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel einkaufen
- Nutzer, die Geld für Haushaltsgegenstände ausgeben
- Nutzer, die Geld für Produkte für Kinder oder Haustiere ausgeben (und welche Art von Haustier)
- Nutzer, deren Haushalt mehr als üblich einkauft
- Nutzer, die dazu neigen online (oder offline) einzukaufen
- Arten von Restaurants, in denen der Nutzer isst
- Arten von Läden, in denen der Nutzer einkauft
- Nutzer, die „empfänglich“ für Angebote von Firmen sind, die Online-Autoversicherungen, Hochschulbildung oder Hypotheken, Prepaid-Debitkarten und Satellitenfernsehen anbieten
- Wie lange der Nutzer sein Haus bereits bewohnt
- Nutzer, die wahrscheinlich bald umziehen
- Nutzer, die sich für Olympische Spiele, Cricket oder Ramadan interessieren
- Nutzer, die häufig verreisen (geschäftlich oder privat)
- Nutzer, die zur Arbeit pendeln
- Welche Art von Urlaub der Nutzer bucht
- Nutzer, die kürzlich von einem Ausflug zurückkommen
- Nutzer, die kürzlich eine Reise-App benutzt haben
- Nutzer, die ein Ferienwohnrecht haben